Abschaffung des Eigenmietwerts – aktueller Beschluss
Nach mehr als sieben Jahren intensiver Diskussionen in National- und Ständerat wurde in der Wintersession 2024 der folgende Entscheid getroffen:
- Abschaffung des Eigenmietwerts: Der Eigenmietwert wird sowohl für Haupt- als auch Zweitwohnsitze abgeschafft. Damit endet die über 100-jährige Praxis der Besteuerung der fiktiven «Eigenmiete» für selbstgenutztes Wohneigentum.
- Weniger Steuerabzüge: Unterhaltsabzüge sind künftig nicht mehr möglich. Schuldzinsenabzüge werden nur noch nach der quotal-restriktiven Methode gewährt.
- Kantonale Objektsteuer auf Zweitliegenschaften: Um die Bergkantone zu entlasten, dürfen die Kantone eine Objektsteuer auf Zweitliegenschaften einführen.
- Kopplung an eine Verfassungsänderung: Die Liegenbschaftssteuer auf Zweitliegenschaften bedarf einer Verfassungsänderung und somit einer Volksabstimmung. Das Inkrafttreten der Abschaffung des Eigenmietwerts ist an diese Volksabstimmung gekoppelt.
Wann kommt die Abschaffung des Eigenmietwerts?
Zunächst das Wichtigste: Ob und wann der Eigenmietwert abgeschafft wird, ist aktuell noch nicht bekannt. Für Haus- und Wohnungseigentümer wird sich daher vorerst nichts ändern. Bis auf Weiteres gilt die bestehende Wohneigentumsbesteuerung.
Warum aber ist immer noch nicht klar, ob der Eigenmietwert wirklich abgeschafft wird? Der Teufel liegt im Detail, und das Detail ist die Besteuerung von Zweitwohnungen. Würde der Eigenmietwert abgeschafft, träfe das die Bergkantone besonders hart, weil dort viele Zweitwohnungen stehen. Um die entgangenen Steuereinnahmen zu kompensieren, sollen die Kantone ermächtigt werden, eine Steuer auf Zweitliegenschaften zu erheben.
Dazu ist aber eine Verfassungsänderung nötig. Diese untersteht dem obligatorischen Referendum. Und weil die Abschaffung des Eigenmietwerts per Verknüpfungsklausel an die Einführung dieser Objektsteuer geknüpft ist, kommt entweder die gesamte Vorlage durch oder die gesamte Vorlage scheitert – inklusive der Abschaffung des Eigenmietwerts.
Hintergrund: Reform der Wohneigentumsbesteuerung statt Abschaffung des Eigenmietwerts
Die Besteuerung von Wohneigentum in der Schweiz ist ein vielschichtiges und eng verzahntes System. Dieses umfasst den Eigenmietwert für selbstgenutzte Immobilien, aber eben nicht nur diesen. Mit dem Eigenmietwert versteuern Immobilienbesitzer den theoretischen Mietwert ihrer Liegenschaft als Einkommen, sofern sie die Immobilie selbst nutzen. Gleichzeitig erlaubt das System zahlreiche Abzüge bei der Einkommenssteuer, etwa für Schuldzinsen, Unterhaltskosten, energetische Sanierungen und denkmalpflegerische Massnahmen.
Obwohl der Eigenmietwert und die Steuerabzüge grundsätzlich unabhängig voneinander angepasst werden könnten, bilden sie de facto eine Einheit. Veränderungen an einem Teil des Systems haben zwangsläufig Auswirkungen auf den Rest, weshalb eine Reform das gesamte Besteuerungssystem von Wohneigentum in den Blick nehmen muss.
Die Komplexität einer möglichen Abschaffung des Eigenmietwerts ergibt sich genau aus dieser systemischen Verflechtung. Eine Reform erfordert nicht nur eine Entscheidung über den Eigenmietwert, sondern müsste auch klären, wie künftig mit den zahlreichen Steuerabzügen umzugehen ist, die direkt oder indirekt mit dem Eigenmietwert verknüpft sind.
Ferienwohnungen unterliegen aktuell ebenfalls dem Eigenmietwert, sofern sie nicht vermietet werden. Eine Abschaffung des Eigenmietwerts würde daher die Bergkantone, wo Ferienwohnungen einen grossen Anteil des Wohnungsbestandes ausmachen, besonders hart treffen. Um den Steuerverlust für die betroffenen Kantone zu kompensieren, sollen die Kantone die Möglichkeit erhalten, eine Objektsteuer für Zweitliegenschaften einzuführen. Eine solche Änderung setzt jedoch eine Anpassung der Bundesverfassung voraus und untersteht damit dem obligatorischen Referendum.
Die beiden Vorlagen – die Abschaffung des Eigenmietwerts und die Einführung der Objektsteuer auf Zweitliegenschaften – sind durch eine Verknüpfungsklausel verbunden. Sollte die Verfassungsänderung vom Volk abgelehnt werden, scheitert auch die Abschaffung des Eigenmietwerts. Ausserdem kann gegen die Abschaffung des Eigenmietwerts selbst das fakultative Referendum ergriffen werden.
Vollständiger oder teilweiser Systemwechsel?
Der aktuelle Reformvorschlag zum Eigenmietwert (17.400) wurde 2017 von der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats (WAK-S) eingebracht. Der Ständerat beziehungsweise seine Kommission wollte nur den Eigenmietwert für Erstliegenschaften abschaffen. Der Nationalrat befürwortete einen vollständigen Systemwechsel, der neben der Abschaffung des Eigenmietwerts auch die Streichung der Unterhalts- und Schuldzinsabzüge vorsah. Diese Differenzen führten dazu, dass die Vorlage mehrere Jahre lang zwischen den Kammern und ihren Kommissionen hin- und hergereicht wurden, ohne dass eine Einigung in Sicht war.
Das änderte sich in der Wintersession 2024, als sich die WAK-S schliesslich der Position des Nationalrats anschloss. Damit war sich das Parlament erstmals darüber einig, die Abschaffung des Eigenmietwerts im Rahmen eines vollständigen Systemwechsels zu verfolgen. Dieser Konsens fand auch in der Schlussabstimmung breite Unterstützung: Sowohl der National- als auch der Ständerat stimmten dem Vorschlag zu. Mit dieser Entscheidung ist der Weg frei für eine umfassende Reform der Wohneigentumsbesteuerung.
Aspekt |
Position Ständerat/WAK-S |
Position Nationalrat |
---|---|---|
Eigenmietwert |
Abschaffung nur für Hauptwohnsitz |
Abschaffung für alle Liegenschaften |
Unterhaltsabzüge |
Abschaffung beim Hauptwohnsitz |
Abschaffung auch für Zweitwohnungen, Beibehaltung bei vermietetem Wohneigentum |
Schuldzinsabzüge |
70 % der steuerbaren Vermögenserträge |
40 % der steuerbaren Vermögenserträge |
Ersterwerbsabzug |
Neuer Schuldzinsabzug für Erstkäufer |
Neuer Schuldzinsabzug für Erstkäufer |
Abzüge für energetische Sanierungen |
Wegfall bei Bundessteuer |
Wegfall bei Bundessteuer |
Abzüge für denkmalpflegerische Arbeiten |
Keine Änderung/weiterhin möglich |
Keine Änderung/weiterhin möglich |
Warum die Abschaffung des Eigenmietwerts kontrovers ist
Disskussionspunkt 1: Fairness
Die Abschaffung des Eigenmietwerts ist in der Schweiz seit langem umstritten, da sie mehrere wirtschaftliche und soziale Aspekte berührt. Ein zentraler Kritikpunkt betrifft die Fairness des Systems. Kritiker des Eigenmietwerts argumentieren, dass es unfair ist, Hauseigentümer einem fiktiven steuerbaren Einkommen zu unterwerfen, nur weil sie in ihrer eigenen Immobilie wohnen.
Befürworter des Eigenmietwerts halten jedoch dagegen, dass dieser zur Gleichbehandlung beiträgt, da Mietende ihre Wohnkosten aus steuerbarem Einkommen finanzieren müssen, während Eigentümer durch Steuerabzüge Vorteile geniessen.
Diskussionspunkt 2: Finanzierung und Verschuldung
Das aktuelle System der Wohneigentumsbesteuerung ist aber noch aus einer zweiten Perspektive unfair: Es bestraft Eigentümer dafür, dass sie ihre Hypothek amortisieren. Der Grund: Die Hypothekarzinsen und damit auch die Steuerabzüge sinken, je tiefer der Fremdkapitalanteil ist. Der Eigenmietwert bleibt aber unabhängig von der Belehnung gleich hoch. Das hat die absurde Folge, dass die Einkommenssteuerbelastung mit zunehmender Amortisation steigt.
Eine Abschaffung des Eigenmietwerts würde gemäss der aktuellen Vorlage auch die Neuregelung der Steuerabzüge bedeuten. Eigentümer hätten dann weniger Anreiz, sich strategisch zu verschulden, um Steuervorteile zu erzielen.
Diskussionspunkt 3: Steuereinnahmen
Ein weiterer kontroverser Aspekt betrifft die Steuereinnahmen. Die Abschaffung des Eigenmietwerts würde Hauseigentümer entlasten, würde aber zu erheblichen Steuermindereinnahmen führen. Gegner einer Abschaffung argumentieren, dass diese Einnahmeverluste durch höhere Steuern an anderer Stelle kompensiert werden müssten. Damit könnte das Ziel eines gerechteren Systems wieder unterlaufen werden.
Wer von der Abschaffung des Eigenmietwerts profitieren würde
Geringere Verschuldung lohnt sich
Die Abschaffung des Eigenmietwerts würde vor allem Haus- und Wohnungseigentümer entlasten, die die Hypothek amortisiert haben beziehungsweise ihre Immobilie zu einem grösseren Anteil selbst finanziert haben. Diese Eigentümer werden durch das bestehende System benachteiligt. Ohne den Eigenmietwert entfällt auch der Anreiz, sich zu verschulden, nur um Steuerabzüge zu erzielen.
Kommentar von Eric Corradin, CEO von Neho
Herr Corradin, 2025 kommt die Abschaffung des Eigenmietwerts vors Volk. Welchen Einfluss hätte das auf die Kosten von Wohneigentum?
Das ist nicht pauschal zu beantworten. Es geht ja nicht nur um den Eigenmietwert, sondern um die gesamte Wohneigentumsbesteuerung inklusive der Schuldzins- und Unterhaltsabzüge. Die Folgen wären je nach Finanzierungsstruktur, Alter der Immobilie und Kanton unterschiedlich. Aus psychologischer Sicht könnte es eine positive Wirkung haben, dass eine Steuer ganz abgeschafft wird – selbst wenn gleichzeitig weniger Steuerabzüge möglich sind.
Lesen Sie das vollständige Interview mit Eric Corradin zum Schweizer Immobilienmarkt in unserem aktuellen Marktbericht (Veröffentlichung am 22.1.).
Wieso es den Eigenmietwert gibt
Es ist kaum zu glauben, aber die Anfänge des Eigenmietwerts liegen über 100 Jahre zurück. Erstmals eingeführt wurde der Eigenmietwert 1915 als Kriegssteuer, als infolge des Ersten Weltkriegs die Zolleinnahmen einbrachen. 1934 griff der Bundesrat erneut zum Eigenmietwert, um den durch die Weltwirtschaftskrise stark belasteten Bundeshaushalt zu stabilisieren. Eigentlich war diese Massnahme zeitlich befristet, doch das Parlament beschloss eine Verlängerung bis 1941.
Doch zu diesem Zeitpunkt hatte der Zweite Weltkrieg begonnen, und der Eigenmietwert wurde als sogenannte Wehrsteuer beibehalten, um die Ausgaben für die Landesverteidigung zu decken. 1958 wurde der Eigenmietwert schliesslich durch eine Volksabstimmung ins ordentliche Recht übernommen und ist seither fester Bestandteil des Schweizer Steuersystems.
Der Eigenmietwert erklärt
Was ist der Eigenmietwert?
Der Eigenmietwert wird steuerrechtlich als sogenanntes Naturaleinkommen begründet. Ein Naturaleinkommen ist ein geldwerter Vorteil, den die Eigentümer daraus ziehen, dass sie in der eigenen Immobilie wohnen. Dieser Vorteil wird durch den Eigenmietwert erfasst und besteuert, um eine Gleichstellung zwischen Eigentümern und Mietern herzustellen.
Wie wird der Eigenmietwert berechnet?
Der Eigenmietwert ist im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer verankert (Abschnitt 5, Artikel 21):
Steuerbar sind die Erträge aus unbeweglichem Vermögen, insbesondere:
- alle Einkünfte aus Vermietung, Verpachtung, Nutzniessung oder sonstiger Nutzung;
- der Mietwert von Liegenschaften oder Liegenschaftsteilen, die dem Steuerpflichtigen aufgrund von Eigentum oder eines unentgeltlichen Nutzungsrechts für den Eigengebrauch zur Verfügung stehen;
Für die Umsetzung sind die kantonalen Steuerbehörden zuständig. Sie legen fest, wie der Eigenmietwert berechnet wird. Nach einem Entscheid des Bundesgerichts darf der Eigenmietwert niemals tiefer als 60 Prozent der Marktmiete betragen.
Wann muss der Eigenmietwert versteuert werden?
Selbstgenutzte Immobilien
Der Eigenmietwert muss immer dann als Einkommen versteuert werden, wenn man eine Wohnung oder ein Haus selbst nutzt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Immobilie leersteht oder nicht – solange sie prinzipiell zur Verfügung stehen würde, gilt sie als selbstgenutzt. Daher wird der Eigenmietwert auch auf Ferienwohnungen erhoben, solang diese nicht vermietet sind.
Vermietete Immobilien
Der Eigenmietwert findet nur auf Immobilien Anwendung, die nicht vermietet werden. Eigentümer einer ganzjährig vermieteten Wohnung oder eines ganzjährig vermieteten Hauses sind vom Eigenmietwert befreit und versteuern die Mieteinnahmen als Einkommen. Wird eine Immobilie unterjährig vermietet, ist der Eigenmietwert anteilsmässig steuerbar, d.h. für den Zeitraum, in dem die Immobilie nicht vermietet ist.
Unbenutzbare oder unvermietbare Immobilie
Der Eigenmietwert kann für einen bestimmten Zeitraum erlassen werden, wenn eine Immobilie unbenutzbar ist, beispielsweise bei grossen Sanierungs- oder Umbauarbeiten. Auch bei Leerstand fällt der Eigenmietwert in der Regel nicht an, sofern man sich nachweislich um die Vermietung bemüht hat.